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Claudio Conte (1958 - 1995)
Eine Bildwelt voller Emotionen und Leidenschaft
Claudio Conte (1958–1995) gehörte in den achtziger und neunziger Jahren zu den schillernden Figuren der Zürcher und Winterthurer Kunstszene. Er besass Sex-Appeal und feierte wilde Partys; ebenso sinnlich und rauschhaft malte er. Wie James Dean und Falco war ihm nur ein kurzes Leben beschieden. Vor dem Hintergrund der Zürcher Jugendunruhen und den weltweiten Schlagzeilen über den «Needle Park» schuf Claudio Conte ein intensives, politisch engagiertes Werk, das Einflüsse des Surrealismus, des italienischen Futurismus und des russischen Konstruktivismus aufweist. „Muss ich denn sterben, um zu leben?“, singt Falco in seinem Song «Out of the Dark (Into the Light)» – eine Aussage, die zu Contes Schicksal passt. Er starb zu früh, um als Künstler den Durchbruch zu schaffen. Beinahe 20 Jahre lang war sein Nachlass unter Verschluss. Die aktuelle Ausstellung im Atelier-Inspiration bietet nun die Möglichkeit, den Künstler Claudio Conte neu zu entdecken.
Claudio Conte kam am 1. Januar 1958 als Sohn italienischer Einwanderer in Winterthurer zur Welt. Seine Ausbildung zum Grafiker absolvierte er von 1975 bis 1980 in Lugano. Danach kehrte er nach Winterthur zurück, um als freier Künstler zu arbeiten. Mit einigen anderen Kunstschaffenden teilte er sich ein Atelier in der sog. „Schleife“. Seine künstlerische Karriere packte er mit Verve an: 1981 erhielt er ein Kunststipendium von der Stadt Winterthur und 1982 eines vom Kanton Zürich. Im selben Jahr gelangte Claudio Conte erstmals mit Werken an die Öffentlichkeit. Zusammen mit Guido von Stürler und Christophe Geel stellte er in der renommierten Winterthurer Galerie ge aus, die damals von Walter Büchi, dem späteren Kultursekretär der Stadt Winterthur geführt wurde. Der Kunstkritiker Helmut Kruschwitz besprach im Landboten (22. Januar 1982) die Ausstellung mit folgenden Worten:
„Ihre allgemeine Tendenz könnte man als Anti-Malkultur bezeichnen, die sich gegen die traditionelle bürgerliche Malkultur und das schöne, gepflegte Handwerk richtet. Das Gegenständliche aber ist zeichenhaft abstrahiert, tritt fragmentarisch auf, bewegt sich ohne perspektivische Zwangsjacke frei im Bildraum, sodass eine fliessende Bewegung entsteht. Die inhaltliche Mitteilung nur andeutend, ohne Vollständigkeit und logische Durchsichtigkeit, auf die private Gefühlswelt bezogen, ist nicht leicht lesbar. Hier wird eine neue, ungewohnte Sprache gesprochen, mit neuen Inhalten, die auf den Konsens der Künstler mit einem jungen, eingeweihten Publikum beruhen.“
Offensichtlich tat man sich in Winterthur noch schwer mit den sogenannt Jungen Wilden, auch wenn die kunstkritische Beurteilung zwar vorsichtig, aber wohlwollend im Sinne einer neugierigen Offenheit formuliert war. Nach Einschätzung von Kruschwitz war Conte derjenige, „der am elementarsten und freudigsten mit Farbe umgeht.“
Die grosszügig gestaltete Malerei voller Spontaneität und Subjektivität rüttelte an überkommenen Vorstellungen von Kunst. Die Bilder der Jungen Wilden waren Ausdruck einer ganzen Generation, die für Freiräume kämpfte und an der Macht des Establishments rüttelte. In Zürich forderte die Jugend ein Autonomes Jugendzentrum. Als der Zürcher Stadtrat dafür kein Gehör fand, kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen (Opernhauskrawalle). Ein halbes Jahr später gewährte man den „Bewegten“ ein alternatives Kulturzentrum in der Roten Fabrik.
Claudio Conte gehörte nicht zu den Radikalen wie sein Winterthurer Künstlerkollege Aleks Weber, dem Hauptprotagonisten der sogenannten Winterthurer Ereignisse von 1984, die der Journalist Erich Schmid in seinem Buch „Tod und Verhör“ kritisch aufgearbeitet hat. Claudio Conte war zu jener Zeit bereits nach Zürich umgezogen, wo er in der Ateliergemeinschaft Binz 39 eine neue Schaffensstätte fand. Noch im Jahr 1983 erhielt Conte seine erste institutionelle Ausstellung in der Kunsthalle Winterthur, die er mit Walter Weiss und Guido von Stürler bespielte. Weitere wichtige Stationen seiner künstlerischen Laufbahn waren Zürich mit Gruppenausstellungen im Strauhof (1983) und in der progressiven Galerie Walcheturm (1986) sowie Liestal, wo Conte mehrmals seine Werke zeigte (1985 und 1986). 1987 und 1988 wurde Conte nicht nur mit weiteren Kunststipendien (Stadt und Kanton Zürich) bedacht, sondern fand in der Galerie & Edition Margine, Zürich die Möglichkeit, zwei Einzelausstellungen zu bestreiten.
Ende der achtziger Jahre wurde es zunehmend ruhiger um den talentierten Künstler. Der vielgereiste und rastlose Schaffer, der in seinen besten Jahren vor Energie sprühte, wurde schwer krank. Im Alter von 37 Jahren erlag Claudio Conte nach schmerzvoller Leidenszeit seinem Schicksal.
Sein Grab befindet sich in Soresina (Lombardei). Das italienische Dörfchen war Contes zweite Heimat. Seine Eltern hatten in dem kleinen Dörfchen ein Haus gebaut, wohin er sich hin und wieder zurückzog, um seinen italienischen Wurzeln nachzuspüren. Die Frage nach der kulturellen Zugehörigkeit war für ihn existentiell. Conte war, wie sein damaliger Wegbegleiter und Freund, der Schriftsteller Salvatore Smedile, in einer Erinnerungsschrift schildert, von einer „unheimlichen“ Unruhe getrieben. Die stete Suche nach Anbindung und Ursprung sublimierte der Künstler in der erotischen Verbindung von Mann und Frau, die er in seinen Bildern abstrahiert zur Darstellung brachte.
Lucia Angela Cavegn, Winterthur, Kunsthistorikerin und Kunstkritikerin (www.kunstweise.ch)
Un mondo di immagini piene di emozioni e di passione (italienisch)